Albert Dikovich
Den Umbruch denken. Die deutsche Philosophie und das politische Imaginäre in Mitteleuropa nach dem Ersten Weltkrieg
Kurzbeschreibung
Die Revolutionen von 1918/19 als Teil des mit dem Weltkrieg beginnenden Umbruchprozesses in Mitteleuropa sind philosophiehistorisch weitgehend unerforscht. Dabei wurden 1918/19 für die weitere Entwicklung der politischen Philosophie entscheidende Koordinaten gesetzt, die nicht zuletzt das mögliche Verhältnis von Politik und Philosophie im Rahmen der neu etablierten demokratischen Ordnungen, aber auch der diversen im Umlauf befindlichen staatlichen Zukunftsentwürfe betrafen. In einer Situation der Offenheit und der Konkurrenz von Ordnungsmodellen suchte sich Philosophie als Orientierungswissen einzuschalten und nicht nur im Rahmen des öffentlichen Diskurses, sondern auch revolutionärer Bewegungen und institutioneller Neuschöpfungen als politikleitende Instanz Einfluss zu nehmen. In meiner Dissertation werden drei zentrale Topoi des philosophisch-politischen Diskurses von 1918/19 ausgearbeitet: Zum einen die Abwendung von der deutschen Denktradition der „Realpolitik“, die von Fürsprechern einer politisch-ethischen Umkehr gegen Ende des Weltkrieges als ursächlich für die erfahrene Katastrophe angesehen wurde. Zweitens die Idee einer kognitiv-sozialen Synthesis, in der die gesellschaftliche Zersplitterung in antagonistische und unvereinbare Interessen- und Überzeugungsgruppen aufgehoben wäre, wobei dem Philosophen als Vermittlerfigur und pädagogischer Autorität eine besondere Rolle zukommen sollte. Schließlich die Frage nach den Möglichkeiten, die Dynamik der revolutionären Tat gegen institutionelle und doktrinäre Verfestigungstendenzen zu bewahren und dem revolutionären Radikalismus ein ethisches Fundament zu geben. Als Leitfäden bei der Aufarbeitung dieser Debattenzusammenhänge dienen die Werke von drei Philosophen und politischen Akteuren der Zeit: des Phänomenologen Arnold Metzger, des Neukantianers Leonard Nelson und des lebensphilosophisch geschulten Marxisten Georg Lukács.
Kontakt: albert.dikovich[@]uni-konstanz.de
Lebenslauf
03/2020 – 09/2020 | Gastwissenschaftler an der Forschungsstelle Weimarer Republik |
2006-2012 | Studium der Philosophie, deutschen Philologie und Romanistik an der Universität Wien und an der Université de Bourgogne, Dijon |
11/2009 – 03/2012 | Studienassistent am Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie, Wien |
04/2012 – 03/2017 | Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie, Wien |
04/2017 – 03/2019 | Kollegiat im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Das Reale in der Kultur der Moderne“, Universität Konstanz |
05/2019 – 02/2020 | Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Literaturwissenschaft der Universität Konstanz (Lehrstuhl Albrecht Koschorke) |
Publikationen:
Heroismus und Sorge um das Selbst. 1919 im Lichte der politisch-ethischen Schriften Georg Lukács`. In: Albert Dikovich / Edward Saunders (Hrsg.): Die Ungarische Räterepublik 1919 in Lebensgeschichten und Literatur. Wien: Verlag Institut für ungarische Geschichtsforschung, 2017, S. 121-144.
Arnold Metzgers Phänomenologie der Revolution. In: Michael Dreyer / Andreas Braune (Hrsg.): Republikanischer Alltag. Die Weimarer Demokratie und die Suche nach Normalität. Stuttgart: Franz Steiner, 2017, S. 19-32.
Arnold Metzger (1892-1974). In: Internationales Jahrbuch für philosophische Anthropologie 7 (2017), S. 261-278.
gemeinsam mit Alexander Wierzock: Der Neue Mensch, eine mitteleuropäische Passion der Umbruchsjahre 1918/19. In: Albert Dikovich und Alexander Wierzock (Hrsg.): Von der Revolution zum Neuen Menschen. Das politische Imaginäre in Mitteleuropa 1918/19: Philosophie, Humanwissenschaften und Literatur. Stuttgart: Franz Steiner, 2018, S. 11-35 (=Weimarer Schriften zur Republik, Bd. 5).
Paul Natorps Sozialidealismus. Transpolitisches Regieren im Rätestaat. In: Albert Dikovich / Alexander Wierzock (Hrsg.): Von der Revolution zum Neuen Menschen. Das politische Imaginäre in Mitteleuropa 1918/19: Philosophie, Humanwissenschaften und Literatur. Stuttgart: Franz Steiner, 2018, S. 123-158 (=Weimarer Schriften zur Republik, Bd. 5).
Die Intellektuellen und die Räterepublik. In: Christian Koller / Matthias Marschik (Hrsg.): Die ungarische Räterepublik 1919: Innenansichten – Außenperspektiven – Folgewirkungen. Wien: Promedia, 2018, S. 103-116.